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Liebe Caro-Line

Von Stephan Schröder.

Liebe Caro-Line,
Sprachen lernen ist für Eindere oder Andere schwerfällig wie
Anker.
Sie verwechseln „Ich“ und „Du“, „Maß“ und „Masse“ oder
„Huhn“ und „Katz“, und manche sprechen Sprachen so
sporadisch, dass sie gar nicht erst damit anfangen zu sprechen,
sprächen sie ja falsch und umgedreht! So erlangen sie nie die
erforderliche Spruchreife, die für Gespräche in
fremdsprüchlichen Regionen so unablässlich ist.
Zum Beispiel hier in Frankreich. Dort sprechen die Menschen
genauso als wir und völlig anders.
Aus -ös wird -ö, aus -gee wird -jee, und wenn man sich nicht
darauf achtet, passt ein Wort nicht auf das andere auf.
So wie bei mir. Ich schwimme durchs Frankzösisch wie ein
Rollstuhlfahrer in hohem Wellengang. Und weil nicht jeder
Satz wie durch Gischt verspühlt mir aus dem Mund entfallen
soll, verspüre ich ein gefräßiges Verlangen, dies grundsätzlich
zu abzuändern. Da sich meine Zunge jedoch stets pflegt nur
selbst zu verhindern, bleibt mir nichts anderes über wie sie
auszutrixen. Beziehungsweise die Sprache. Und da Bilder
sprachlos sind und der Erinnerung sehr hilfreich, bin ich
gezwungen, die fremden Worte in meinem ungeputzten
Oberstübchen zu a- und bebildern.
Um ein kleines Exämpel zu statuieren:
Wenn ich wortartig ertrinkend versuche den netten Kellnerin
nach einem Aschenbecher zu erfragen, muss ich mich danach
entsinnen, dass ich am Samstag den vierundzwanzigsten Juni
im Restaurant „Coldrip“ in der Kattre Rue Glaize, Centre
Historique, Montpellier, Okzitanien, das französische Pendant
des Wortes erlernen tat, nachdem die nette Kellner ebenda
meinen (gut gemeinten) Versuch eine „Schale des Rauchs“ zu
(v)erlangen so herzhaft mit korrektem Vokabulärium
deparafrasierte.
Und da es nicht nur ein Wort im Französischen gibt, gegeben
hat, und geben wird, darf man sich hier einmal nur getrost
vorstellen in welchen Tempi hier ein Übergang der
(Nutz-)Informationen von meinem Mund zum anderen Ohr
sich von Statten spielt.
Einmal bestellte ich zum Nachmittag ein Glas Wein – weiß –
du weißt ja, und als ich final (und zugegebenermaßen nicht in
Ermangelung eines oder zwei Stolzes) den Punkt am Ende
setzte, ging der Mond schon wieder im Meer baden.*
(*Wie wäre die Welt wohl mit nur einem Wortschatz?
Wahrscheinlich wegen Betriebsstörung geschlossen. Oder
eckig.)
Ich verspreche dir aller Dings (bevor ich mich hier nur noch
verspreche) vor meinem sicheren Hungerstod in Folge von
mittels Sprachlosigkeit, zum Telefon zu greifen und laut nach
dir anzurufen um meine hilflosen Sätze zu übersätzen.
Oder zumindest zu entstottern.
Bis dahin suche ich mir ein neues Handikap.
Gott sei Dank!
Stephan
P.S.: Ich habe im Sand eine Muschel gefunden, aber sie
hat mich nicht gesehen.

Bildquelle: (c) DA

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