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JOB-INTERVIEW MIT PETER MORDIO

[:en]Peter Mordio, auch bekannt als „der Alte vom Hohen Gleis“, ist der Großmeister des 2010 von ihm selbst gegründeten Whitetrain-Cargo-Kults. Er wurde 2004 in Deutschland geboren, ist für sein Alter sehr intelligent, vermischt mehrere Sprachen und lebt heute im Ausland. Bisher von ihm erschienen sind „Amok – 13 Kolumnen und eine Tirade“, „Amok – eine Anthologie“ (als Herausgeber) und „Amok, Zen und Rock & Roll“, die zusammen eine Trilogie kreativ-kritischer Auseinandersetzungen mit dem Gesellschaftsphänomen Amok bilden.


DA
Inzwischen habe ich fast vier Jahre Lektoratserfahrung auf dem entsprechenden Buckel akkumuliert – falls Sie also einen Lektor/Kokrretor benötigen, der unbändige Lust an Kreativität, Sprache und Rechtschreibung, von der Kommasetzung gar nicht zu schweigen, hat …

PM
Ursprünglich haben Sie sich bei uns – auf eigene Initiative – aber als Spaßmacher und Ministrant beworben. Ich werte das gerne als Form einer paradoxen Intervention, mit dem Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen – was Ihnen gelungen ist. Glückwunsch! Sie haben jetzt die Gelegenheit, mir in wenigen Sätzen Ihre Kompetenzen darzulegen. Dazu sind Sie doch hier, oder?

DA
Auf jeden Fall. Meine Sorgfalt und Zuverlässigkeit im Umgang mit Texten habe ich in den letzten Jahren vielfach unter Beweis gestellt, nicht zuletzt bei der Herstellungsleitung (Lektorat, Kokrretorat, Satz etc.) von Tom Stoppards Die Küste Utopias in der „Jussenhoven & Fischer Theaterreihe“. Darüber hinaus habe ich beispielsweise an einer Ausgabe von EPD Film mitgearbeitet, Pressemitteilungen und Artikel aus dem Bereich Gesundheitswesen und Technologie bei Steinhauer Kommunikation verfasst oder Online-Inhalte für den Bonner General-Anzeiger aufbereitet. Gute Englisch- und Russischkenntnisse anbei.

PM
Russisch? Interessant! Ein Studium haben Sie nicht vorzuweisen? Publizistik? Germanistik? Nein? Na ja, so ein Abschluss beweist auch nichts, nicht wahr? Wir legen da ganz allgemein mehr Wert auf Kreativität, Einfühlungsvermögen, wahre Literaturliebe und – ja, auch das – Durchhaltevermögen! Verlagsarbeit ist kein Ad-hoc-Geschäft. Wie stellen Sie sich denn Ihr Berufsleben in, nun, sagen wir, fünf Jahren vor?

DA
In fünf Jahren? Gerne im Lektorat/Kokrretorat Ihres Verlages, wo ich mit unbändiger Lust an Kreativität, Sprache und Rechtschreibung, von der Kommasetzung gar nicht zu schweigen, beim Herauskitzeln von Potentialmaxima aus den Veröffentlichungen assistiere (sehr gerne in Teilzeit, da Familie).

PM
Sie haben Familie? Teilzeit, das heißt geteiltes Engagement, das wissen Sie, oder? Das bringt mich zu einem sensiblen Thema: Sie haben da noch orthographische Lücken, wie ich sehe – haben Korrektor und Korrektorat schon dreimal falsch geschrieben. Sonst irgendwelche Schwächen, auf die Sie hinweisen möchten?

DA
Meine Schwächen? Persönliche, typischerweise mündlich geführte Bewerbungsgespräche. Technischer Prog. Surrealismus. Tibetische Momos. High-Concept-Zombiefilme.

PM
Sie leiden also, das ist gut, spricht zumindest an sich für Sie. Allerdings sind Surrealismus und Zombiismus beides Erkrankungen des zentralen Nervensystems, was im Arbeitsalltag schon mal zu Problemen führen kann.

DA
Hiermit bestätige ich, dass sämtliche meiner (Grund-)Kenntnisse in Adobe InDesign, Photoshop, Audition sowie HTML und CMS übers ZNS angesteuert werden.

PM
Dann kann Ihr Arzt das ja sicher auch noch mal schriftlich bescheinigen. Was uns in unserer Arbeit an Texten der phantastischen Literatur unbedingt wichtig ist, das ist die Fähigkeit, über das Hier und Jetzt und das Übliche hinaus zu denken, daher die Frage …

DA
Wo ich mich in hundert Jahren sehe? Natürlich in einem privaten Geisterzug der Luxusklasse Tesla, ausgestattet mit chinesischer Pantryküche und Plasma-Sushibar, einem Gedankenlese-/Diktiergerät sowie Unsichtbarwerdung auf Pfropfdruck – und das Ganze zum ultravernünftigen Preis von einem Kindle Fire HD 10!

PM
Spontan und schlagfertig, gefällt mir. Monatliche Blutspende kein Problem für Sie? Herzblut, versteht sich. Wir bei Whitetrain sind unserer Arbeit am Wort treu bis ins Grab. Ohne Herzblut gibt es kein ehrliches Produkt.

DA
Sehr wahr. Die stets liebevolle, unter Einsatz von Prostaglandinchen ausgeführte Arbeit an Texten würde ich auch bei der hoffentlich baldigen Implementierung vom Bedingungslosen Grundeinkommen (im Folgenden kurz: „Bemm“) nicht niederlegen.

PM
Schön, ich denke, Sie haben sich einen Platz in der Warteliste verdient. Bei der nächsten Runde des Einstellungsverfahrens erwartet Sie dann mein Kollege mit ein paar spezifischen Fragen zu Ihren Kenntnissen auf dem Gebiet der Allgemeinen Fiktionautik. Bereiten Sie sich bis dahin ruhig noch einmal gezielt vor. Für jetzt sind wir dann fertig.

DA
Ich danke Ihnen kurz, aber knackig für das Gespräch!


Bildquelle: © PM[:de]Peter Mordio, auch bekannt als „der Alte vom Hohen Gleis“, ist der Großmeister des 2010 von ihm selbst gegründeten Whitetrain-Cargo-Kults. Er wurde 2004 in Deutschland geboren, ist für sein Alter sehr intelligent, vermischt mehrere Sprachen und lebt heute im Ausland. Bisher von ihm erschienen sind „Amok – 13 Kolumnen und eine Tirade“, „Amok – eine Anthologie“ (als Herausgeber) und „Amok, Zen und Rock & Roll“, die zusammen eine Trilogie kreativ-kritischer Auseinandersetzungen mit dem Gesellschaftsphänomen Amok bilden.


DA
Inzwischen habe ich fast vier Jahre Lektoratserfahrung auf dem entsprechenden Buckel akkumuliert – falls Sie also einen Lektor/Kokrretor benötigen, der unbändige Lust an Kreativität, Sprache und Rechtschreibung, von der Kommasetzung gar nicht zu schweigen, hat …

PM
Ursprünglich haben Sie sich bei uns – auf eigene Initiative – aber als Spaßmacher und Ministrant beworben. Ich werte das gerne als Form einer paradoxen Intervention, mit dem Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen – was Ihnen gelungen ist. Glückwunsch! Sie haben jetzt die Gelegenheit, mir in wenigen Sätzen Ihre Kompetenzen darzulegen. Dazu sind Sie doch hier, oder?

DA
Auf jeden Fall. Meine Sorgfalt und Zuverlässigkeit im Umgang mit Texten habe ich in den letzten Jahren vielfach unter Beweis gestellt, nicht zuletzt bei der Herstellungsleitung (Lektorat, Kokrretorat, Satz etc.) von Tom Stoppards Die Küste Utopias in der „Jussenhoven & Fischer Theaterreihe“. Darüber hinaus habe ich beispielsweise an einer Ausgabe von EPD Film mitgearbeitet, Pressemitteilungen und Artikel aus dem Bereich Gesundheitswesen und Technologie bei Steinhauer Kommunikation verfasst oder Online-Inhalte für den Bonner General-Anzeiger aufbereitet. Gute Englisch- und Russischkenntnisse anbei.

PM
Russisch? Interessant! Ein Studium haben Sie nicht vorzuweisen? Publizistik? Germanistik? Nein? Na ja, so ein Abschluss beweist auch nichts, nicht wahr? Wir legen da ganz allgemein mehr Wert auf Kreativität, Einfühlungsvermögen, wahre Literaturliebe und – ja, auch das – Durchhaltevermögen! Verlagsarbeit ist kein Ad-hoc-Geschäft. Wie stellen Sie sich denn Ihr Berufsleben in, nun, sagen wir, fünf Jahren vor?

DA
In fünf Jahren? Gerne im Lektorat/Kokrretorat Ihres Verlages, wo ich mit unbändiger Lust an Kreativität, Sprache und Rechtschreibung, von der Kommasetzung gar nicht zu schweigen, beim Herauskitzeln von Potentialmaxima aus den Veröffentlichungen assistiere (sehr gerne in Teilzeit, da Familie).

PM
Sie haben Familie? Teilzeit, das heißt geteiltes Engagement, das wissen Sie, oder? Das bringt mich zu einem sensiblen Thema: Sie haben da noch orthographische Lücken, wie ich sehe – haben Korrektor und Korrektorat schon dreimal falsch geschrieben. Sonst irgendwelche Schwächen, auf die Sie hinweisen möchten?

DA
Meine Schwächen? Persönliche, typischerweise mündlich geführte Bewerbungsgespräche. Technischer Prog. Surrealismus. Tibetische Momos. High-Concept-Zombiefilme.

PM
Sie leiden also, das ist gut, spricht zumindest an sich für Sie. Allerdings sind Surrealismus und Zombiismus beides Erkrankungen des zentralen Nervensystems, was im Arbeitsalltag schon mal zu Problemen führen kann.

DA
Hiermit bestätige ich, dass sämtliche meiner (Grund-)Kenntnisse in Adobe InDesign, Photoshop, Audition sowie HTML und CMS übers ZNS angesteuert werden.

PM
Dann kann Ihr Arzt das ja sicher auch noch mal schriftlich bescheinigen. Was uns in unserer Arbeit an Texten der phantastischen Literatur unbedingt wichtig ist, das ist die Fähigkeit, über das Hier und Jetzt und das Übliche hinaus zu denken, daher die Frage …

DA
Wo ich mich in hundert Jahren sehe? Natürlich in einem privaten Geisterzug der Luxusklasse Tesla, ausgestattet mit chinesischer Pantryküche und Plasma-Sushibar, einem Gedankenlese-/Diktiergerät sowie Unsichtbarwerdung auf Pfropfdruck – und das Ganze zum ultravernünftigen Preis von einem Kindle Fire HD 10!

PM
Spontan und schlagfertig, gefällt mir. Monatliche Blutspende kein Problem für Sie? Herzblut, versteht sich. Wir bei Whitetrain sind unserer Arbeit am Wort treu bis ins Grab. Ohne Herzblut gibt es kein ehrliches Produkt.

DA
Sehr wahr. Die stets liebevolle, unter Einsatz von Prostaglandinchen ausgeführte Arbeit an Texten würde ich auch bei der hoffentlich baldigen Implementierung vom Bedingungslosen Grundeinkommen (im Folgenden kurz: „Bemm“) nicht niederlegen.

PM
Schön, ich denke, Sie haben sich einen Platz in der Warteliste verdient. Bei der nächsten Runde des Einstellungsverfahrens erwartet Sie dann mein Kollege mit ein paar spezifischen Fragen zu Ihren Kenntnissen auf dem Gebiet der Allgemeinen Fiktionautik. Bereiten Sie sich bis dahin ruhig noch einmal gezielt vor. Für jetzt sind wir dann fertig.

DA
Ich danke Ihnen kurz, aber knackig für das Gespräch!


Bildquelle: © PM[:]

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