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Leichenschmaus und Fischstäbchen

Von Andrea Travnik.

Über dem Geschirrspüler gebeugt,

auf dem Schoß meiner Cousine,

in der Küche meiner Großeltern

und ein einziges mal noch beim Fischstäbchenessen

direkt nach dem Leichenschmaus –

Rindfleisch mit Kren –

so wunderschön wurde es mir noch nie serviert.

Das Fleisch schwamm in der hellen Sauce,

ich habe es nur betrachtet

und den Geruch eingeatmet.

Zu Hause gab’s dann Fischstäbchen,

die habe ich gegessen;

Oma sagte mir immer:

„In die Fischstäbchen kommt nur das Grausigste vom Fisch rein.“

Es ekelte mich vor ihrem Geruch

und ihrer kompakten Gestalt.

Die Fischstäbchen hab ich dann gegessen.

Der Leichenschmaus war mir zu lustig

zu viele Fremde

Mama viel zu traurig.

Beim Fischstäbchenessen habe ich

dann noch einmal geweint,

zum letzten Mal in mein Essen geweint.

Und noch immer

hab ich nie aufgehört zu weinen –

Seit zwanzig jahren

komme ich von der Schule nach Hause –

Mama ist nicht da,

die Großeltern bitten uns Kinder in die Küche,

Worte kommen aus Omas Mund,

Hoffnungen werden schlecht übersetzt.

So wussten wir alle sofort,

es wird nicht mehr

und daheim überm Geschirrspüler gebeugt

und die Schwester beim kalten Ofen

und der Bruder am leeren Esstisch,

setze ich mich dann auf Cousines Schoß,

er wird bald beim Hund im Himmel sein,

endlich ein Trostversuch.

Alle Kinder sitzen in der Küche,

seit vielen Jahren und niemand weiß,

wie es dazu kam

und wann uns wer abholt.

Bildquelle: (c) DA

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