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Seltsam

Von Dominik Riedo.

Seltsam: Am Tisch gingen sie nie mit dem Messer aufeinander los. Und sie vergaßen auch nie das Gebet. Tischlein deck dich. Dann fraßen sie. Vielleicht deswegen. Sie konnten sich auf sich konzentrieren. Aber auch im Bett geschah nichts. Sogar als sonst auch nichts mehr geschah. Da ertrugen sie einander. Selbst wenn sie kurz zuvor, zum Beispiel vor dem Fernseher, wie Wahnsinnige aufeinander losgegangen waren. Laut und heftig. Sie stritten sich mit Wutgeschrei und Hass, Hass auf das Leben und Hass auf ihr speziell beschissenes Leben. Sie stritten sich beim Einkaufen. Sie stritten sich beim Autofahren. Sie stritten sich beim Sonntagsspaziergang. Sie stritten sich in den Ferien. Sie stritten sich an Familientreffen. Sie stritten sich zu Beginn vor den Kindern. Sie stritten sich vor den Großkindern. Sie stritten sich beim Arzt, im Spital. Laut und heftig. Und sie hatten immer recht. Immer.

Der Schöpfer der Welt, so seltsam das klingt, macht sich immer wieder auf den seltsamsten Wegen bemerkbar, ja, dringt auf die merkwürdigsten Weisen ins, nein, nicht nur ins Ohr, auch ins Auge.
So kann es kein Zufall sein, dass Hitler, der Herrscher der braunen Horden, der Chef der Braunhemden, in Braunau geboren wurde. Was gespiegelt wird darin, dass er an einem seiner letzten Tage auf Erden seine Eva Braun ehelichte. Auf dem Weg dahin hatte er so nette Helfer auf seiner Seite wie etwa Wernher von Braun. Und um 1932 überhaupt in der Reichspräsidentenwahl antreten zu können, wurde er wo eingebürgert? In Braunschweig. Kaum überraschend also, dass ihm unter anderem der amerikanische Geheimdienst OSS eine Koprophilie (Faszination mit dem ‹Braunen›) unterstellte oder viele KZ-Häftlinge auf Todesmärschen durch Braunlage getrieben wurden, wo es natürlich auch einen Adolf-Hitler-Platz gab. Da ist es schon fast ein Wunder, wurde der ‹Gröfaz› nicht ‹Brownie› genannt. Aber so hätte ja eigentlich Hitlers brauner Schäferhund Blondi heißen sollen, wäre die Hündin nicht von speziell hellfarbenem Fell gewesen.
Ach ja, die Wege der Braun – Verzeihung – der Welt, sind sonderbar.

Bildquelle: (c) DA

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