DA
Welches Musikgenre wird die Charts des Jahres 20021 do(pa)minieren?
Die besten Hits der 19980er und 19990er.
Was passiert, wenn man eine Audiodatei in den Zellkern einspeist?
Die Audiodatei würde sich erst mal umhören und feststellen, dass der Sound da drinnen eigentlich ganz geil ist. Es dringt nichts ein und nichts heraus. Perfekte Bedingungen, um nur mit dem Material zu jammen, das da ist. Statt sich des gesamten Werkzeugkastens der globalen Musikgeschichten zu bedienen.
Sollte man sich gegen eine bestimmte Musik impfen lassen?
Das wäre viel zu reaktiv. Dann würden die besten Hits der 19980er und 19990er einfach immer weiter aus den Charts lärmen. Es müsste eher darum gehen, den Virus der schlechten Sounds und Musik loszuwerden.
Als man dem versierten Theaterpublikum einer deutschen Stadt mit weniger als 100.000 Einwohnern mehrere KImpositionen vorspielte, fiel der Applaus frenetisch aus. Auf welche weiteren frenetischen Ausfälle sollte an dieser Stelle hingewiesen werden?
Was, die haben geklatscht? Wem haben die geklatscht? Der KI oder den Leuten, die sie programmiert haben? Kann die KI das Klatschen überhaupt wahrnehmen? Klingt das Klatschen anders, wenn es Maschinen statt Menschen gilt? Ich glaube, wenn das jetzt schon so gut ankommt, hat das keine große Zukunft. Echte Avantgarden werden doch immer erst mal gehasst, bevor sie Jahrzehnte später zur „hohen“ Kunst erklärt werden. Bei der Uraufführung von Igor Strawinskys Die Frühlingsweihe. Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen in Paris 1913 kam es zu tumultartigen Ausschreitungen im Publikum.
Wen würdest du gern mal vertonen bzw. von wem würdest du dich gern mal vertonen lassen?
Ich würde gerne vertonen: Capital is Dead – Is there Something Worse? von McKenzie Wark im Dialog mit Szenen aus Ann Cottens Lyophilia und Gedichten von Xi Chuan. Dabei würde ich verschiedene Leitmotive vergeben. Für jede Anspielung auf Marx würde ein elektronisch beschleunigtes „Amenbreak“ (Sample aus dem Stück „Amen, Brother“ der Soulband The Winstons von 1969) erklingen, jeder Scherz bekäme eine melodramatische Streichersektion und bei jeder Erwähnung eines Tieres als Allegorie auf die Gesellschaft erklänge ein Refrain von Andrea Berg. Mich selbst vertonen lassen würde ich mich von einem transhistorischen Kompositionsteam, bestehend aus Lucretia Dalt, Johann S. Bach und Pauline Oliveros, gerne mit anschließenden Remixes von Ziur und DeForrest Brown Jr.
Wann ist dir das erste Mal aufgefallen, dass Ohren, Augen und andere Organe in den Müll gehören?
Es war, als ich das erste Mal Zeit einige Zeit in der Mülltonne verbrachte und dachte, eigentlich gehöre ich genau hierher. Die Luftfeuchtigkeit ist angenehm hoch und es gibt immer genügend zu essen, und zwar auch für alle anderen Wesen, die dort leben. Außerdem erledigt sich damit der Zwang zur Reinheit, ein Ideal, das in der Natur eigentlich nicht vorkommt. Selbst in einem Kubikmeter Frischluft befinden sich rund 35.000 Partikel. Zwischen ihnen gibt es keine Hierarchien, während Menschen ständig damit beschäftigt sind zu entscheiden, was Dreck ist und was nicht.
Es ist bekannt, dass Informationsübertragung ein Medium (Gas, Raumzeit usw.) benötigt – könnte auch Fresse ein solches Medium sein?
„Der Begriff ‘Fresse’ kommt vom altgriechischen Ausdruck koruefae, der so viel wie ‘Gipfel, Spitze’ bedeutet. Er wurde auf den Chorführer der griechischen Tragödie übertragen. In dieser Form des antiken Dramas gab es nämlich neben den handelnden Personen noch einen Chor auf der Szene, der das Geschehen kommentierte.“ Sagt eine unbestätigte Quelle aus dem Internet.
Sind Groupies ansteckend?
Voll der aufgeladene Begriff: Er entstand mit der Geburt von Rockmusik und bezeichnete meistens weibliche Fans, die eine Band während ihrer Tour begleiten. In den Medien wurden Groupies seit den 1960er Jahren oft sexualisiert dargestellt und als nichtauthentische Konsument*innen inszeniert, die sich von „echten“ Fans unterscheiden. Insofern hoffe ich, wenn ich mal so kalkuliert humorlos sein darf, dass Groupies nicht ansteckend sind – und das Bild von Fans nicht mehr so krass gegendert und misogyn ist.
Was willst du unbedingt noch bis zur Singularität 2033 geschafft kriegen?
Ich möchte, dass meine Musik wahlweise beim US-amerikanischen Superbowl, als Pausensignal aller staatlichen Schulen im deutschsprachigen Raum gespielt oder vom chinesischen Staatsorchester live vorgetragen wird.
Vor kurzem hat das Pentagon die Geheimakten des Tanzens („The D-Files“) veröffentlicht – wie hast du auf die darin dokumentierten, meist verstörenden Moves reagiert?
Ich runzelte die Stirn, schaute nach links und dann nach rechts und klappte die Akte mit einem zufriedenen Lächeln wieder zu. Solange es unter den Standard-Moves noch verstörende gibt, ist die Menschheit noch nicht verloren.
Warum ist Musik (bzw. Kunst jeglicher Art (bzw. (organisches, anorganisches etc.) Leben)) Bullshit?
Bullshit ist ja nichts Schlechtes. Zumindest in einer Welt, in der selbst Exkremente produktiv sein müssen und so gewissermaßen in die Arbeitswelt integriert werden (Kompost). Dennoch glaube ich, dass Musik viel mehr kann als gut oder schlecht sein, oder immer eine bestimmte Bedeutung zu haben. Politisch „relevant“ heißt doch oft nur, möglichst die Nachrichten nachzuerzählen. Oder Musik soll dem Emotionsmanagement und der Stimmungsmodulation dienen. Ja, auch ich verdopple gern mal meine Wut oder Traurigkeit mit Musik. Doch ihr nur zuzugestehen, Erwartungen zu erfüllen oder ein bereits bekanntes Gefühl zu schaffen, ignoriert ihr viel größeres Potenzial. Musik ist ja nicht nur eine ästhetische, sondern vor allem soziale Aktivität.
Hatte ich nach der Einname der Roten Pille irgendwelche Nebenwirkungen?
Es konnten zwei Nebenwirkungen festgestellt werden: Dir wurde klar, dass in deinem individuellen Ich die gewanderten Seelen einer vor Jahrhunderten ausgestorbenen Ameisenkolonie stecken. Die zweite habe ich vergessen. Dub, das ist die Lücke, die der Teufel lässt.
Bildquelle: (c) DA