Novelle

[:en]Headquarters for Experimentalism [:de]Zentrale für Experimentelles[:]

Cozmiciew

Ein kurzes Gespräch mit Maximilian Meier und Thorsten Wieser, die (neben diversen anderen Autoren) an der COZMIC-Anthologie (hrsg. von René Moreau und Michael Vogt) mitgewirkt haben.

Was sind einige Vor- und/oder Nachteile von SF?

Maximilian Meier: Hat Science-Fiction Vor- und/oder Nachteile? Falls ja, so sind sie mir nicht bekannt. Ich habe ohnehin nicht den Eindruck, dass ich Science-Fiction schreibe. Ich schreibe über Gefühlsregungen von erfundenen Charakteren und die Handlungen, Verwicklungen und Komplikationen, die sich daraus ergeben. Und ich glaube nicht, dass sich die Gefühlsregungen der menschlichen Spezies von ihren Anfängen bis heute so fundamental verändert haben. Zweitausend Jahre alte Literaturprodukte sind vielleicht technisch nicht mehr auf dem Stand der Zeit, aber emotional vermutlich genauso ansprechend wie zu ihrer Entstehungszeit. Wenn ich mich so umsehe, ist der rezente Mensch emotional doch ziemlich primitiv geblieben. Und ich nehme an, dass er sich diesbezüglich auch in der Zukunft nicht sonderlich weiterentwickeln wird. Die Frage geht an meiner Realität also vorbei. Entscheidender als die Vor- und/oder Nachteile eines Genres sind wohl jene, die aus der Zeit- und/oder Gesellschaftsschicht resultieren, in der man lebt. Aber das war ja nicht die Frage. Und was die Bilder anbelangt, so zeichne ich keine Science-Fiction, sondern Punkte und Linien auf der Fläche.

Thorsten Wieser: Ein Vorteil ist, dass man genau festlegen kann, was im Jahre 2049 passiert, der Nachteil, es wird garantiert anders kommen. Bestimmte Vorhersagen scheinen so bizarr und fürchterlich, dass man nicht wagt, sie in eine Geschichte einzubauen, vor allem, wenn man verständlicherweise denkt, so doof sind die Leute doch wohl nicht … und dann wird Trump gewählt.

Welche SF-Künstler (im weitesten Sinne des Wortes) haben Sie nachhaltig beeindruckt und/oder warum?

Maximilian Meier: Jeder Künstler oder Autor, den ich jemals gesehen oder gelesen habe, hat mich mehr oder weniger nachhaltig beeindruckt, weil jeder von ihnen etwas zu bieten hatte, was mich entweder angesprochen oder abgestoßen hat. Wenn man die Bereitschaft hat, sich auf eine Sache einzulassen, dann wird man von ihr verändert. So ist der Lauf der Dinge.
Die Frage nach den Künstlern, also nach bestimmten Namen, ist eine sehr persönliche Frage, eigentlich zu persönlich. Darauf will ich mich aus verschiedenen Gründen nicht einlassen. Künstler beeindrucken mich aus den unterschiedlichsten Gründen. Und das gilt für alle Kunstarten. Bei einigen ist es die schiere handwerkliche Bravour, der man sich einfach nicht entziehen kann. Deshalb sieht man ja beispielsweise Popcornkino. Die Frage „Wie haben die das nur hingekriegt?“ scheint eine große Faszination auszuüben. Andere beeindrucken durch ihre Einfachheit, Aufrichtigkeit oder Peinlichkeit. Ganz besonders beeindrucken natürlich jene Giganten, die die Türe in ein bisher unbekanntes Universum aufstoßen. Wer einen Blick hindurch geworfen hat, der kann nie mehr in seine alte, enge Welt zurück. Am beeindruckendsten unter diesen sind vielleicht jene Künstler, die Wahrheiten aussprechen, von denen wir ahnten, dass sie existieren, aber aus welchen Gründen auch immer bisher immer unsere Sinne vor ihnen verschlossen hatten.

Thorsten Wieser: H. G. Wells, da er nahezu alle grundsätzlichen Möglichkeitswelten des Genres, also quasi dessen Untersparten Zeitreise, Alien-Invasion, Gentechnik etc. erfand und nie langweilte. Mary Shelley, da ihr Roman Frankenstein sowohl der Schauerliteratur angehört als auch gleichzeitig der erste Science-Fiction-Roman war und dabei ganz wunderbar geschrieben ist. Als Zeichner bin ich ein großer Fan der Métal-Hurlant-Künstler, vor allem Corben und Moebius.

Wie könnte sich Unis Bestrebung, „Universum“ abzukürzen, in den kommenden Jahrzehnten auf das internationale Hochschulranking auswirken?

Maximilian Meier: Das Universum schert sich einen Dreck um das internationale Hochschulranking. In Deutschland sind für den schulischen und beruflichen Erfolg nach wie vor der Geldbeutel und die gesellschaftliche Stellung der Eltern maßgeblich. Ich denke auch nicht, dass sich das so schnell ändern wird, weil mächtige Eltern kein Interesse haben, dass Arbeiterkinder den eigenen Kindern die lukrativen Jobs wegnehmen. Geld macht in Deutschland Politik und nicht ein angeblich demokratischer Entscheidungsfindungsprozess. Mich hat man jedenfalls noch nie nach meiner Meinung vor irgendwelchen politischen Richtungsentscheidungen gefragt, und unsere Volksvertreter vertreten vielleicht die Meinungen und Interessen reicher Minderheiten, aber ganz sicher nicht meine. Ich kenne auch niemanden, den man jemals nach seiner Meinung gefragt hätte. Mir werden die Vorschriften wie zu Kaisers Zeiten vor die Nase gesetzt und mit Gewalt aufgezwungen. Demokratisch finde ich das nicht. Alle paar Jahre ein Kreuzchen machen ist kein Ersatz für echte demokratische Teilhabe. Meine Welt, meine Wirklichkeit, wird von keiner der Parteien abgebildet oder auch nur angesprochen. Das Märchen von Chancengleichheit, Talent und Demokratie bleibt nur ein Märchen. Aber genau das gefällt den fetten, feisten, faulen Konservativen, weil sie nichts so fürchten wie die Veränderung. Veränderung musste noch immer hart von den fortschrittlichsten Köpfen gegen den erbitterten Widerstand der rückschrittlichsten Kräfte erkämpft werden. Und an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, da langweilen und brüllen die rückschrittlichsten Kräfte des Films ohnmächtige Studenten nieder. Die besten Studenten werden dort von den schlechtesten Lehrenden aus dem Studium geekelt.

Thorsten Wieser: Ich bin ein Anhänger des Multiversums … aber das hat noch einen Buchstaben mehr.

Bildquelle: (c)  Meike Schultchen / Atlantis Verlag

Next Post

Previous Post

Leave a Reply

© 2024 Novelle

Theme by Anders Norén