Von Friedrich Leffler.
Sonntag am Nachmittag, Waldspaziergang mit der Hündin. Es ist August und die Sonne scheint. Im Radio sagte man allerdings Regen und starken Wind voraus. Wir gingen die bekannten Wege. Doch irgendetwas war anders als an allen anderen Waldwanderungen. Wir dachten Pilze zu finden und „Lady“, unsere Hündin, hetzte hin und her. Wir beschlossen einen nicht sehr freundlichen Teil des Waldes aufzusuchen, dort gab es immer Steinpilze. Ich mochte diese Stelle nicht. Sie war stets menschenleer. Eine besondere Düsterheit und eine eigenartige Stille verbarg das schmale Tal. Die Wolken zogen unterdessen auf und es fing an zu regnen, genau in dem Moment, als wir dieses verwunschene Stück Wald betraten. Meine Hündin beschäftigte sich direkt um mich herum, mit Stöbern und Schnüffeln. Susanne ging auf den einzigen festen Weg hinab. Ich rief sie zurück, denn die Bäume hielten den Regen etwas ab. Sie wollte aber schneller vorankommen, um an die Ecke zu gelangen, an der wir den Rückweg nehmen konnten. Lady, war nie an der Leine, immerhin war sie das dreizehnte Jahr an meiner Seite. Sie gehorchte auf jedes Wort. Zum Schutz hatte sie das Halsband um, mit der Steuermarke und der Impfmarke, damit war sie akustisch präsent, ohne dass ich mich laufend umschauen musste. Es wurde kalt, sehr kalt. Der Regen nahm unvermindert zu. Ich verspürte plötzlich etwas Außergewöhnliches, das Klimpern der Hundemarken war verstummt. Die Hündin war verschwunden, obwohl sie vor einer Sekunde noch neben mir lief. Ich rief nach Susanne, ob sie Lady bei sich hätte?! „Nein, ein lautes Nein!“, hallte durch dieses unheimliche Tal. Sie wartete und ich versuchte schnell auf den Weg zu gelangen, doch die Brombeersträucher rissen an meiner Hose und kratzten schmerzhaft an den Schienbeinen. Ich blieb wie versteinert stehen und schaute zu Susanne, die schüttelte den Kopf. Zwischen uns lagen ungefähr einhundert Meter. Ich begann Lady zu rufen. Dabei fühlte ich eine unsägliche Angst in mir aufkommen und ein Schauder zog eisig über meinen Rücken. Kein Bellen, kein Winseln, kein Ton von den Marken. Nichts, außer dieser Totenstille. Ein Alptraum, hatten wir sie verloren, würden wir abbrechen müssen, ohne den Hund zu finden? Ich hatte das Gefühl, mir will jemand die Kehle zudrücken. Ich sah nach der Armbanduhr, eine dreiviertel Stunde war vergangen. Es wurde zunehmend dunkel. Wir riefen in diesen verdammten, grausigen Wald. Die Rufe erstickten im Unterholz. Der Regen war plötzlich vorüber. Es war so, als wolle uns eine dunkle Macht auf eine Probe stellen. Ich habe viel erlebt in meinem Leben, aber dieses Szenario war, als würde der Tod uns beobachten. Wir hatten große Furcht. Ich wollte aber nicht ohne meinen Hund nach Hause. Ich weinte bitterlich und mein Herz schlug bis zum Hals. „Lady komm zurück! Lady, wo bist du meine Gute, komm her!“ Susanne stimmte ein. Plötzlich sah ich zu Susanne. Direkt ein paar Meter hinter Susanne, saß völlig durchnässt, verdreckt und verstört meine Hündin auf dem Weg, so, als hätte sie man dort hingesetzt? Ich konnte es einfach nicht glauben. Susanne ging sofort zu ihr, um sie zu beruhigen. Lady sah uns verwundert an, als hätte sie dort bereits die ganze Zeit gesessen und wir wären für sie „verschwunden“ gewesen? Wir kehrten uns stumm ab, von diesem Ort und begannen eilig mit dem steilen Aufstieg. Susanne half der Hündin in den Kofferraum und trocknete sie gleich ab, dabei begannen ihr die Tränen zu fließen und sie zitterte am ganzen Körper. Wir waren so erschöpft und verwirrt, dass wir uns nur anschauen konnten. Vier Tage später erkrankte meine geliebte Lady und ich musste sie einschläfern lassen. Ich habe sie eigenhändig begraben. Was wirklich geschehen ist bleibt bis heute verborgen. Wir denken, dass an diesem Ort vor langer Zeit etwas Grausames passiert sein muss, das bis heute verschwiegen wird. Susanne hat später bestätigt, dass sie auch das Gefühl hatte, dass „Etwas“ uns die ganze Zeit beobachtet hatte und dieses miese „Spiel“ mit uns spielte. Wir gehen seit dem nicht mehr dort hin. Aber der Wald behält sein mysteriöses Geheimnis.
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