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Fragen aus dem EgoloT

Interview mit Max Schumacher.

Als du damals mit deinen Kumpels das Postraum-Theater gegründet hast – wie bald stellten sich erste Erfolge ein?


„Postraum“? Ich habe 1998 das „Post-Titanic Theater“ gegründet. Entgegen dem Namen sind wir damit nicht untergegangen. Der Name sollte eine Ära beschreiben, bei der die Katastrophen hinter uns lagen. Das war ja Ende der 90er Jahre auch der Fall. Kalter Krieg – vorbei. Jugoslawien-Krieg – vorbei. Stattdessen: Internet.
Was ist noch einmal Erfolg?


Also im Juristischen kann es ein Erfolg sein, wenn man jemanden zerstückelt. Was ist das experimentellste Kunstwerk, das dich
beeindruckt hat? Welches experimentelle Werk hat dich hingegen überhaupt nicht berühren können?


Was ist denn ein „experimentelles Kunstwerk“? Ich würde ja noch verstehen, wenn ein Künstler ein Experiment macht. Aber ein Kunstwerk ist ein Kunstwerk ist ein Kunstwerk. Beeindruckt hat mich Terry Gilliams „Brazil“ – die beste Kafka-Verfilmung aller Zeiten – und das ohne Kafka! Man müsste nun Gilliam fragen, ob er bei seinem Film experimentell sein oder etwas ausprobieren wollte.


Na ja, natürlich ist (gute) Kunst immer irgendwie experimentell, weil sie ansetzt, wo andere abgesetzt haben. Aber beispielsweise
ein Film von Germaine Dulac ist anders experimentell als, sagen wir, ein Thomas Mann. Wo wir gerade bei Gilliam sind – was ist
deine erste Assoziation, wenn du den Satz „Es tanzt der Dolch im klebrig Elend“ hörst?


Nach welcher Musik tanzt er wohl, und warum klebt das Elend, und wer ist dieses Elend?


Elend könnte ein altgermanischer Frauenname ist. Wie Helena oder Jelena oder Lena oder Lenin. Elend ist klebrig, weil jemand
wieder nicht abgewischt hat. Apropos Elend: Was ist eigentlich egoistischer – zu wünschen, dass der geliebte Mensch vor einem
stirbt, oder nach einem?


Hinter einem. „Einem“ ist dabei ein altgermanischer Männername. Wie Einar oder Eminem.


Linus Pauling hats getan (Nobel Preis), Jack Nicholson (Oszar), Elmar (Eimer für Euro 9,95) – wie war es für dich, einen Preis
(welcher war das noch mal?) zweimal zu gewinnen? Und was hast du mit dem Preis gemacht?


Ich habe zweimal den Bremer Autorenpreis gewonnen, jedes Mal war das Preisgeld Teil des Produktionsetats
für die Konzeption einer Produktion, die ausgezeichnet wurde – weswegen dieser Preis eigentlich auch nur
eine Projektförderung ist, und, im Umkehrschluss, alle Projektförderungen eigentlich Preise für Ideen. Ich habe
demnach viele Undercoverpreise vielfach gewonnen. Das Einzige, was mich interessiert, ist, dass, wenn ich schon
versteckter öffentlicher Dienst bin (ein Großteil meines Einkommens kommt aus öffentlichen Geldern), diese
möglichst kompliziert und gerecht durch kompetente Jurys vergeben werden.


Was ist denn so (wenn man fragen darf) ein richtig kühnes
Projekt von dir, dessen Realisierung noch nicht stattfinden
konnte?


Wir (ich mache ja nichts ohne „post theater“) wollen
schon seit Jahren einen Wettbewerb organisieren, wer
das beste Kriegsschuld-Monument für Japan entwirft –
in Taiwan, Korea, Singapur oder so. Das wollen wir dann
bauen lassen und nach Japan schiffen, dort errichten
und somit den Pazifikraum langfristig befrieden. So
praktisch kann Theater sein!


Das ist ziemlich huge – und wirklich posttheatral. Ich drücke die
Daumen. Vorhin sprachen wir ja über (Walther von der Vogeleis
Zeitgenossen) Eminem: Findest du Musik, also das
Tonkünstlerische, nicht total überbewertet?


Eminem ist ja nicht nur Musik, sondern vor allem Text.
Generell ist die Musikalität in der populären Musik oft
reduziert – Rap versucht dann wenigstens, noch mit Text
einen Mangel wegzukompensieren. Ich denke, der Drang
nach Live-ness bei gleichzeitiger Verdigitalisierung und
Massen-Raubkopie hat eine Renaissance der Konzerte –
und der Präsenz von Musikern auf allen medialen
Kanälen – herbeigeführt. Aber all das ist mir persönlich
nicht wichtig. Mir gefällt heimlich gehörte Musik besser
als das öffentliche Spektakel der Musik.


Hast du eigentlich ein Problem damit, dass du als Künstler deine
eigenen Werke gut bis genial finden musst, um sie mit aller
Energie verfolgen & befördern zu können?


Ich definiere mich nicht als Künstler und lehne den
Geniebegriff ab – daher stellt sich die Frage so nicht …
dennoch brauche ich schrecklich viel Energie, von der ich
mir auch nicht sicher bin, wie sie erneuerbar sein kann.
Ich brauche diese enorme Energie, um andere davon zu
überzeugen, dass wir 1) Künstler und 2) genial sind – was
eben umso anstrengender ist, wenn man selber nichts
von diesen Begriffen hält.


Interessant. Wenn du kein Künstler bist und nicht genial (also
schöpferisch i. w. S.), als was verstehst du dich dann?


Ich arbeite als Theatermacher, wenn ich gerade
Theater mache. Wenn ich als Dramaturg arbeite, bin ich
Dramaturg. Wenn ich Interviews beantworte, bin ich
Pressesprecher.


Du bist noch doppelter Vater, was nicht nur zur Gratulation, sondern auch zu einer Nachfrage einlädt: Wie kombinierst du freies
Künstlertum mit elterlicher Verantwortung? Wie schaffst du es zum Beispiel zeitlich, dieses Interview zu führen, für das ich
übrigens zwischendurch danken möchte?


Gerade weil ich elterliche und künstlerische Leitungsfunktionen kombinieren muss, habe ich viel mehr Zeit
als vorher. Ich mache alles gleichzeitig. Proben, lesen, schreiben (auch dieses Interview), Kindern Geschichten
erzählen, kochen, essen. Ich kann aber alles nur in kurzen Intervallen. Kurze Texte, kurze Proben, kurze
Geschichten, kurze Antworten auf Interviewfragen.


Dann kannst du sicher auch etwas mit einem Präzisions-Blockkalibrator anfangen?


Bitte schicke mir dann lieber eine Wärmebildkamera.


Wie wäre es mit dem Minenräumfahrzeug KEILER?


Furchtbarer Job, ständig über explodierende Minen fahren zu müssen, selbst wenn es sicher ist. Ich weiß schon,
warum ich verweigert habe. Das kann man doch nicht erleben wollen!


Kommen wir zu einem viel wesentlicheren Thema: Was ist für dich der Kern von Kühnheit?


Leider ist der Befragte nicht schlau, poetisch oder kühn genug für diese kernige Frage.


Dann brauchst du unbedingt einen anständigen Siemens-Tomographen: SOMATOM!


Prima Gerät, überzeugt mich mehr als der Minenauslöser. Siemens macht die Kerne spinnen!


Total wahr. Aber kommen wir doch zu einem viel wesentlicheren Thema: Was ist für dich der Kern von Kühnheit?


Habe ein Déjà-vu. Die Frage hatten wir eben schon mal. Wie viele Sachen machst du parallel zu diesem Interview?


Total wahr. Aber kommen wir doch zu einem viel wesentlicheren Thema: Was ist für dich der Kern von Kühnheit?


Auch mal keine Frage dreimal zu stellen.


Was ist die prätentiöseste Interviewfrage, die du kennst / dir vorstellen kannst?


„How would you define pretentious?”


Ich habe einen heimlichen Traum: Angela Merkel zu fragen, was ihrer Meinung nach die gemeinsame Schnittmenge zwischen
David Lynch und Kunden ist. Könntest du mir einen Gefallen tun und nur für einen kurzen Augenblick in die Rolle der
Bundeskanzlerin schlüpfen?


Merkel: „Ich habe einen heimlichen Traum: Die Kunden wollen wissen, was die Schnittmenge zwischen David Lynch
und Daniel Ableev ist.“


Wir kannten mal einen Kunden, der hat uns die ganze Wohnung tapeziert und wollte dafür auf keinen Fall Geld. Er war ein sehr
guter Mensch und ich werde ihn nie vergessen.


Wir kannten mal einen Kunden, der hat durch die ganze Wohung trapeziert und wollte für den Fall Geld. Er war ein
sehr vergesslicher Mensch und ich werde ihm das nie vergüten.

Hattest du schon mal als Ultraumtriebiger mit Burn-out und/oder Verwandtem zu tun?


Nein.


Findest du nicht auch, dass es viel zu viel Kunst gibt? Jetzt ist langsam aber mal gut, oder?


Ja.


Und gibt es denn mal bald ein Theaterstück von dir in der Regie von jemand anderem irgendwo zu sehen?


Ja und nein. In Kaliningrad und Lübeck, „Fisch in Dir“ – 48 Regisseure machen unser („post theater“-)Stück.


Das sieht konkret wie aus?


4 x 12 Regisseure, 24 in Kaliningrad und 24 in Lübeck. Alle schreiben, komponieren, spielen und inszenieren (=
Regie) ihre Oper zum Thema „Fisch in uns“.


Und geht es darum, den „inneren Fisch“ zu finden, oder um das Problem der Überfischung? Oder um etwas ganz anderes/Anderes?


Das Fischige in uns – das, was noch vom Fisch in uns ist. Das, was uns zum Fisch werden lässt.


Und ist da evtl. ein Cameo vom Ektothrixen Stōʒil geplant?


Nein.


Ach ja, Braunbären, diese sympathischen Chaoten der Lüfte. Max, danke dir für die Investition deiner knappen Zeit in dieses
zwischen erhellend und entstellend wechselnde, aber konstant unterhaltsame Gespräch.


Wie, schon vorbei? Wo wir uns doch gerade eingegroovt haben. Wäre schön, wenn nicht nur wir es unterhaltsam
fänden, sondern eben auch die Braunbären. Ich freue mich auf das Endprodukt, und darauf, alles zu leugnen, was ich
geschrieben haben soll.


Wir können natürlich ad infinitum, ich bin dabei. Aber ich habe Respekt vor deinen zahllosen Pflichten. Aber warum machen wir nicht in ein paar Jahren wieder so ein Gespräch, wär doch schön, oder?


Sehr gerne immer wieder, jedes Mal länger, und in immer kürzeren Abständen, und mit wechselnden Rollen.

Bildquelle: (c) MS

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