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Losgerissen

Von Gesine Cahenzli.

Wind rauschte in bunten Blättern, als Johann das Schulhaus verließ. Er richtete den Blick nach oben. Eine Weile blieb er so stehen, ganz ruhig, mitten auf dem verwaisten Pausenplatz, wo sich sonst hunderte von Mädchen und Jungen tummelten, und schaute den vorbeiziehenden Wolken zu. Eine erinnerte ihn an eine Maus. Eine andere, ein dickes Nilpferd, jagte der Maus hinterher und es sah aus, als würde sie ihr Opfer verschlucken, als sich die beiden grauen Schwaden übereinanderschoben.

Die frische Luft tat ihm gut. Endlich durchatmen. Er gehörte zu der Sorte Lehrer, die in jedem Klassenzimmer, das sie betraten, als erstes die Fenster aufrissen, weil sie sonst das Gefühl bekamen, ersticken zu müssen.

Eine Windböe warf sich in den kleinen Ahorn, der sein noch junges Leben auf einem Grünstreifen am Rande des betonierten Pausenplatzes fristete. Reflexartig griff Johann sich auf den Kopf und tatsächlich gelang es ihm nur knapp, seinen Hut zurückzuhalten. Ein Blick auf die Uhr trieb Johann zur Eile; schließlich wurde er zu Hause erwartet und Evelin konnte ziemlich ungemütlich werden, wenn er sie unnötig warten ließ. Den Hut in der Hand steuerte er auf den Parkplatz zu, doch der Sturm, der nicht nur durch Baumkronen und Haare fegte, stemmte sich mit voller Kraft gegen ihn. Jeder Schritt forderte seine Muskeln heraus. Es dauerte endlose Minuten, bis er den Pausenhof überquert hatte. In einiger Entfernung sah er seinen roten Golf, der in den tobenden Luftmassen bedrohlich schaukelte. Der Parkplatz war gespenstisch leer. Noch nie hatte er es erlebt, dass sein Wagen hier der einzige war. Ein kleiner, vom Kentern bedrohter Kahn, einsam auf grauem Grund.

Nur mit Mühe gelang es Johann, näher an seinen Wagen heranzukommen; er kämpfte mit seinem ganzen Körper gegen den Sturm. Schon glaubte er, dass er sein Ziel gar nicht mehr erreichen würde. Er drehte sich um, stemmte seinen Rücken gegen die tosende Luft und quälte sich im Rückwärtsgang Schritt für Schritt weiter. Was, wenn er sich mitreißen ließe, haltlos und frei als Spielball im Wind? Er warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, wie weit er noch von seinem Wagen entfernt war. Mit aufgerissenen Augen starrte er dem schwankenden Kahn entgegen, der sich von seinem Anker losgerissen hatte und ihm unaufhaltsam entgegentrieb.

Bildquelle: (D) CA

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