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SCHIEFRUNDES: Zwei Stilleben und ein Ententanz

Von Johann Reißer.

Stilleben mit der Hündin und ihren Jungen,

dem Koch und der Köchin1

Frans Snyders:

Selten erinnerter Meister des 17. Jahrhunderts.

Weniger gelenkig in Steiß- und Hüft-

Darstellungen draller Damen

Als Kollege und Zeitgenosse Rubens.

Seltsame Verzichtübung

Auf schwellende Brüste und Gloriolen,

Auf Erbaulichkeiten für Seelen und Schwänze.

Frans Snyders stand

Für Appetitanregungen anderer Art:

Das tägliche Brot verdiente

Die Bereitstellung weiträumiger Kabinette

Von Todesverrenkungsarten

Und Ablebemienen gekeulter Fauna.

Frans Snyders: Einsamer Meister der kunstvollen Zurichtung

Untertaner Kreucher und Fleucher,

Erstaunlicher Variationsreichtum im Sujet

Gravitationskraftverdrehter Hälser.

Frans Snyders: unübertroffenes Können in der Aufschichtung

Erstaunlicher Massive glanzlichtergekrönter Leichenmassen

Von Pfauen und Wachteln,

Von Rotwild, Hasen und Fischen.

Frans Snyders: tadelloser Garant der seriellen Bereitstellung

Erhabener Momente des Fleisches

Zwischen Bratengeruch und Leichenfäulnis.

Gewaltiger Schöpfer kochbarer Totenwelten,

Bilderfürst des lüsternen Gaumens,

Demiurg mit eigenwilligem Humor:

Unverwechselbar seine bösartigen Äffchen

Und cholerischen Hunde samt der sich balgenden Jungen.

Darüber kommt der Mensch zu Wort:

Denn sie erkannten sich und wurden

Koch und Köchin.

1 Ölgemälde um 1625 von Frans Snyders (1579-1657), Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden.


Stillleben mit Silberkanne und Pastete1

Von der Frucht zum Gefäß zum Zuckerwerk zur Flamme und zurück –

Poliert, fixiert, angefrühstückt mit der Pfauenfeder –

Und schon laufen die Dinge

Aus dem Auge des Betrachters

Über in den Bauch der Kanne,

Wo sich etwas mischt,

Im Deckel dehnt,

Im Griff zerrt

Und sich weiterreicht zum Schnittmuster

Der Zitrone, das über dem Faltenwurf

In die Sichtbarkeit rankt,

Sich zergliedert im Gefältel,

Sich vervielfacht in Schatten

Und wieder aufgeht in Ansichten.

Also nur nicht ausflippen, bei all der Schwerkraft!

Die Dinge finden sich schon wieder und verschalten sich:

Von der Fülle zur Leere zur Zeit zum Laster und zurück –

Schenkt sich das Glas die vollen Wiederkehrten:

Je nach Aufprallwinkel beschleunigend

Zur Extrarunde im leeren Kerzenständer.

Da heißt’s noch lang nicht Prost Mahlzeit Vanitas:

Gratia ploppt am Wachsfang auf,

Extra monadige Beeren

Bringen tausend neue Welten,

Die aus der Pastete

Über den Löffel in die Kanne

Schießen und sich zerstreuen

In der Durchsichtigkeit der Gefäße,

Bis endlich alle Möglichkeiten im Auge

Wieder zusammenlaufen: Angefrühstückt, fixiert und poliert:

Von der Kanne zur Zitrone zum Glas zur Pastete und zurück.

1 Ölgemälde um 1634 von Willem Claeszoon Heda (1594-1680/82), Schlossmuseum Weimar.


Schrittfolge Ententanz1

Wer nun Belieben trägt, diese der Natur nachahmende Machine zu sehen…

Der komme, erkenne, folge nach:

Denn lange noch nicht ist der Maschine Natur

Der Natur Maschine genug.

Da müssen weitere Knochen und Kanäle ersetzt,

Da müssen Schienen und Schalter verschraubt,

Da muss begriffen werden:

Eine Ente ist eine Uhrwerk,

Wenn der Betrachter nur ganz Ohr ist.

Man lausche dem Radschlag,

Man folge dem Film, wie er durch Röhren,

Blenden und Gläser ins Getriebe zischt,

Entenflott in der Schlussketten chymischen Labor

Zum schnatternden Höhepunkt

Im Abspritzen der zerlegten Masse:

Ja!

So kann man Menschen bezaubern.

Doch erlaubt der Enten Fluss kein Verweil’,

Flussabwärts harren Laichplätze neuer Maschinerie,

Gelenkige Partnerschaften prästabilierter Harmonie,

Vom Gangrad getrieben:

Nie ist die Ente der Ente Ente genug

Auf dem Weg zum Universentenstaat

Darin Ente und Mensch, Mensch und Ente

Infinit perfektibel, regressiv kompossibel

Blecherne Zukünfte integrieren, fedrige Vergangenheiten

Implementieren samt neuesten Entasmen.

Schon schlägt die Stunde der Entoplasmen

Zum telematischen Ententanz:

Man hebe nun den Entenschwanz

l.. so wird man geziemend aufzuwarten wissen,

Und die Renumeration deren eigenen Generosität anheimstellen …

1 Gewidmet der mechanischen Ente, die Jacques de Vauconson 1738 baute. Sie konnte angeblich watscheln, mit den Flügeln flattern, schnattern, Wasser trinken, Körner aufpicken, diese verdauen und wieder ausscheiden. Im 19. Jahrhundert verliert sich die Spur der Ente.

Bildquelle: (c) DA

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