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JOB-INTERVIEW MIT FLORIAN LAMP

[:en]Florian Lamp, Jahrgang 77, lebt und arbeitet in Berlin. Dort gehört ihm ein GROSSKONZERN, in dem bisher mehrere (2) Bücher veröffentlicht wurden. Florian Lamps bisheriges Werk ist sehr beliebt in Ägypten und Georgien, wie die Facebook-Statistik seiner Verlagsseiten beweist. Vielleicht zieht er in eines der Länder, wenn er irgendwann in Rente geht.


DA
Inzwischen habe ich fast vier Jahre Lektoratserfahrung auf dem entsprechenden Buckel akkumuliert – falls Sie also einen Lektor/Kokrretor benötigen, der unbändige Lust an Kreativität, Sprache und Rechtschreibung, von der Kommasetzung gar nicht zu schweigen, hat …

FL
Wenn ich da kurz mal unterbrechen darf, Herr Ableev. Finden Sie nicht auch, dass ich im Vergleich mit anderen bekannten Verlegern wie Herrn Suhrkamp oder Frau Suhrkamp viel viel besser aussehe?

DA
Auf jeden Fall. Meine Sorgfalt und Zuverlässigkeit im Umgang mit Texten habe ich in den letzten Jahren vielfach unter Beweis gestellt, nicht zuletzt bei der Herstellungsleitung (Lektorat, Kokrretorat, Satz etc.) von Tom Stoppards Die Küste Utopias in der „Jussenhoven & Fischer Theaterreihe“. Darüber hinaus habe ich beispielsweise an einer Ausgabe von EPD Film mitgearbeitet, Pressemitteilungen und Artikel aus dem Bereich Gesundheitswesen und Technologie bei Steinhauer Kommunikation verfasst oder Online-Inhalte für den Bonner General-Anzeiger aufbereitet. Gute Englisch- und Russischkenntnisse anbei.

FL
Das klingt beeindruckend, aber wären Sie auch bereit, einen Braunbär zu heiraten. Sagen wir mal so in fünf Jahren?

DA
In fünf Jahren? Gerne im Lektorat/Kokrretorat Ihres Verlages, wo ich mit unbändiger Lust an Kreativität, Sprache und Rechtschreibung, von der Kommasetzung gar nicht zu schweigen, beim Herauskitzeln von Potentialmaxima aus den Veröffentlichungen assistiere (sehr gerne in Teilzeit, da Familie).

FL
Danach hatte ich nicht gefragt, aber gut … Kommasetzung kann ja nicht schaden an und für sich. Ich persönlich besitze ja keine einzige, aber bei Bewerbern interessiere ich mich immer gerne für die Schwächen. Natürlich auch andere Dinge, wie zum Beispiel die Schuhgröße oder die Antwort auf die Frage, wie hoch der Reis auf der Welt liegen würde, wenn man zuerst ein Reiskorn auf das Feld eines Schachbretts legen würde und auf das nächste dann 2, dann 4 und so weiter. Aber vor allem interessieren mich Schwächen bei anderen, denn dann kann ich mich selbst stark fühlen. Also: Was sind Ihre Schwächen?

DA
Meine Schwächen? Persönliche, typischerweise mündlich geführte Bewerbungsgespräche. Technischer Prog. Surrealismus. Tibetische Momos. High-Concept-Zombiefilme.

FL
Eine Freundin meines älteren Bruders hieß Momo und war Halbjapanerin. Heute ist sie Pathologin, heißt es. Aber aus Tibet war sie nicht, mal da auch nicht. Können Sie mir bitte verraten, wie ich meinen Computer anschalte? Ich habe ihn bisher immer nur mit Post-its beklebt …

DA
Hiermit bestätige ich, dass sämtliche meiner (Grund-)Kenntnisse in Adobe InDesign, Photoshop, Audition sowie HTML und CMS übers ZNS angesteuert werden.

FL
In hundert Jahren suche ich vielleicht einen Nachfolger, der den dann zum Weltkonzern angewachsenen GROSSKONZERN leitet und übernimmt. Vorher werde ich leider kein Geld haben, um jemanden zu bezahlen. Meine Hobbys sind Geisterzüge, chinesische Pantryküche und Sushibars mit Plasmabildschirmen, die sich immer im Kreis drehen. Können Sie in hundert Jahren noch sehen, sprich: Sind Sie Brillenträger, haben Sie Star-Erkrankungen in der Familie?

DA
Wo ich mich in hundert Jahren sehe? Natürlich in einem privaten Geisterzug der Luxusklasse Tesla, ausgestattet mit chinesischer Pantryküche und Plasma-Sushibar, einem Gedankenlese-/Diktiergerät sowie Unsichtbarwerdung auf Pfropfdruck – und das Ganze zum ultravernünftigen Preis von einem Kindle Fire HD 10!

FL
Warum nur habe ich den Eindruck, dass Sie mir nach dem Mund reden? Respekt, junger Mann, Sie werden es noch weit bringen in Ihrem Leben. Ach ja, noch eine Frage: Finden Sie nicht auch, dass 2 + 2 = 17 ist?

DA
Sehr wahr. Die stets liebevolle, unter Einsatz von Prostaglandinchen ausgeführte Arbeit an Texten würde ich auch bei der hoffentlich baldigen Implementierung vom Bedingungslosen Grundeinkommen (im Folgenden kurz: „Bemm“) nicht niederlegen.

FL
Vorbildlich, vorbildlich. Nur leider kann ich nicht mal ein Bemm bezahlen. Die gesamten riesigen Einnahmen gehen alleine für meine luxuriösen Hobbys drauf – Polo mit Prinz Charles, Blockflötespielen mit Boris Becker oder Coca Cola X Koffeinfrei mit gekühltem Champagner. Bitte seien Sie mir nicht böse. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrer weiteren Jobsuche, lassen Sie sich nicht unterkriegen. Ich kenne Sie zwar nicht, aber allein Ihre Idee zu diesem Gespräch lässt darauf schließen, dass Sie gute Ideen haben. Nur sollten die auch bezahlt werden – am besten sehr ordentlich –, und das kann ich momentan – und absehbar auch in den kommenden Jahren – nicht leisten.

DA
Ich danke Ihnen kurz, aber knackig für das Gespräch!


Bildquelle: © FL[:de]Florian Lamp, Jahrgang 77, lebt und arbeitet in Berlin. Dort gehört ihm ein GROSSKONZERN, in dem bisher mehrere (2) Bücher veröffentlicht wurden. Florian Lamps bisheriges Werk ist sehr beliebt in Ägypten und Georgien, wie die Facebook-Statistik seiner Verlagsseiten beweist. Vielleicht zieht er in eines der Länder, wenn er irgendwann in Rente geht.


DA
Inzwischen habe ich fast vier Jahre Lektoratserfahrung auf dem entsprechenden Buckel akkumuliert – falls Sie also einen Lektor/Kokrretor benötigen, der unbändige Lust an Kreativität, Sprache und Rechtschreibung, von der Kommasetzung gar nicht zu schweigen, hat …

FL
Wenn ich da kurz mal unterbrechen darf, Herr Ableev. Finden Sie nicht auch, dass ich im Vergleich mit anderen bekannten Verlegern wie Herrn Suhrkamp oder Frau Suhrkamp viel viel besser aussehe?

DA
Auf jeden Fall. Meine Sorgfalt und Zuverlässigkeit im Umgang mit Texten habe ich in den letzten Jahren vielfach unter Beweis gestellt, nicht zuletzt bei der Herstellungsleitung (Lektorat, Kokrretorat, Satz etc.) von Tom Stoppards Die Küste Utopias in der „Jussenhoven & Fischer Theaterreihe“. Darüber hinaus habe ich beispielsweise an einer Ausgabe von EPD Film mitgearbeitet, Pressemitteilungen und Artikel aus dem Bereich Gesundheitswesen und Technologie bei Steinhauer Kommunikation verfasst oder Online-Inhalte für den Bonner General-Anzeiger aufbereitet. Gute Englisch- und Russischkenntnisse anbei.

FL
Das klingt beeindruckend, aber wären Sie auch bereit, einen Braunbär zu heiraten. Sagen wir mal so in fünf Jahren?

DA
In fünf Jahren? Gerne im Lektorat/Kokrretorat Ihres Verlages, wo ich mit unbändiger Lust an Kreativität, Sprache und Rechtschreibung, von der Kommasetzung gar nicht zu schweigen, beim Herauskitzeln von Potentialmaxima aus den Veröffentlichungen assistiere (sehr gerne in Teilzeit, da Familie).

FL
Danach hatte ich nicht gefragt, aber gut … Kommasetzung kann ja nicht schaden an und für sich. Ich persönlich besitze ja keine einzige, aber bei Bewerbern interessiere ich mich immer gerne für die Schwächen. Natürlich auch andere Dinge, wie zum Beispiel die Schuhgröße oder die Antwort auf die Frage, wie hoch der Reis auf der Welt liegen würde, wenn man zuerst ein Reiskorn auf das Feld eines Schachbretts legen würde und auf das nächste dann 2, dann 4 und so weiter. Aber vor allem interessieren mich Schwächen bei anderen, denn dann kann ich mich selbst stark fühlen. Also: Was sind Ihre Schwächen?

DA
Meine Schwächen? Persönliche, typischerweise mündlich geführte Bewerbungsgespräche. Technischer Prog. Surrealismus. Tibetische Momos. High-Concept-Zombiefilme.

FL
Eine Freundin meines älteren Bruders hieß Momo und war Halbjapanerin. Heute ist sie Pathologin, heißt es. Aber aus Tibet war sie nicht, mal da auch nicht. Können Sie mir bitte verraten, wie ich meinen Computer anschalte? Ich habe ihn bisher immer nur mit Post-its beklebt …

DA
Hiermit bestätige ich, dass sämtliche meiner (Grund-)Kenntnisse in Adobe InDesign, Photoshop, Audition sowie HTML und CMS übers ZNS angesteuert werden.

FL
In hundert Jahren suche ich vielleicht einen Nachfolger, der den dann zum Weltkonzern angewachsenen GROSSKONZERN leitet und übernimmt. Vorher werde ich leider kein Geld haben, um jemanden zu bezahlen. Meine Hobbys sind Geisterzüge, chinesische Pantryküche und Sushibars mit Plasmabildschirmen, die sich immer im Kreis drehen. Können Sie in hundert Jahren noch sehen, sprich: Sind Sie Brillenträger, haben Sie Star-Erkrankungen in der Familie?

DA
Wo ich mich in hundert Jahren sehe? Natürlich in einem privaten Geisterzug der Luxusklasse Tesla, ausgestattet mit chinesischer Pantryküche und Plasma-Sushibar, einem Gedankenlese-/Diktiergerät sowie Unsichtbarwerdung auf Pfropfdruck – und das Ganze zum ultravernünftigen Preis von einem Kindle Fire HD 10!

FL
Warum nur habe ich den Eindruck, dass Sie mir nach dem Mund reden? Respekt, junger Mann, Sie werden es noch weit bringen in Ihrem Leben. Ach ja, noch eine Frage: Finden Sie nicht auch, dass 2 + 2 = 17 ist?

DA
Sehr wahr. Die stets liebevolle, unter Einsatz von Prostaglandinchen ausgeführte Arbeit an Texten würde ich auch bei der hoffentlich baldigen Implementierung vom Bedingungslosen Grundeinkommen (im Folgenden kurz: „Bemm“) nicht niederlegen.

FL
Vorbildlich, vorbildlich. Nur leider kann ich nicht mal ein Bemm bezahlen. Die gesamten riesigen Einnahmen gehen alleine für meine luxuriösen Hobbys drauf – Polo mit Prinz Charles, Blockflötespielen mit Boris Becker oder Coca Cola X Koffeinfrei mit gekühltem Champagner. Bitte seien Sie mir nicht böse. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrer weiteren Jobsuche, lassen Sie sich nicht unterkriegen. Ich kenne Sie zwar nicht, aber allein Ihre Idee zu diesem Gespräch lässt darauf schließen, dass Sie gute Ideen haben. Nur sollten die auch bezahlt werden – am besten sehr ordentlich –, und das kann ich momentan – und absehbar auch in den kommenden Jahren – nicht leisten.

DA
Ich danke Ihnen kurz, aber knackig für das Gespräch!


Bildquelle: © FL[:]

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