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“Regentonnenvariationen”-Walkthrough mit Jan Decker

[:en]Jan Decker, Jahrgang 1977, lebt und arbeitet als Schriftsteller in Osnabrück. Er studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Für ARD und Deutschlandradio schrieb er mehr als 20 Hörspiele und Features. Daneben verfasste er zahlreiche Bücher, Theaterstücke, Libretti, Erzählungen, Essays, Gedichte und Artikel. Sein Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem Hörspielstipendium der Filmstiftung NRW und dem Spreewald-Literatur-Stipendium. Jan Decker unterrichtete an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und der Universität Osnabrück. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.


DA
Der Giersch hat was von einem Nasobēm-Gruselpendant.

JD
Ja, spätestens seit er neulich dem Mulch die Pralinen stahl – ein selten trauriger Akt im Tierreich (das sonst auch Schönheiten kennt).

DA
Darf man die Lingua franca der Pferde als Hübrr bezeichnen?

JD
Ebenfalls ja, weil es ihrem Schnauben schon recht nahe kommt; und mehr verstehen wir von diesen Viechern ohnehin nicht. Nebengedanke: Warum ist der Pferdeversteher eigentlich nicht mehr in Mode?

DA
Wenn der Mütter Motoren losbrüllen wie Pralinen, hüpfen Rohlinge (wenig überraschend) von der Reling?

JD
Das ist ein Bild von der Reeperbahn. Und nicht sonderlich originell, steckt dieses Biotop doch voller mütterlicher Pralinenreize und quillt und brüllt sozusagen über vor – ja, was eigentlich? (Jetzt fehlt ein originelles Wort.)

DA
Was kostet eine lichtgepanzerte Forelle, wenn man als Lichtquelle die eigenen Augen nutzt?

JD
Eigentlich nichts – man müsste es ausprobieren. Ich traue mich aber gerade nicht. Die Forelle müffelt nachher bestimmt.

DA
Espresso : Kaffee = Esel : ?

JD
Die leckersten Innereien des Esels in pulverisierter Form. Das könnte ein Lyriker aber viel schöner sagen. Pech gehabt.

DA
Weiß man mittlerweile mehr über Annas Scharte?

JD
Sie hat sich aufgelöst: in Wohlgefallen.

DA
Und was ist eigentlich aus Ninas Brüsten geworden?

JD
Dasselbe wie aus Annas Scharte. In Ninas Fall war einfach der Airbag fehlerhaft. Erste Sammelbeschwerden werden vorbereitet. Es kann nicht sein, dass die plastische Chirurgie in die Automobilindustrie umzieht.

DA
Wäre es erstrebenswert, aus Zeitungen mittels hochmoderner Extraktionsverfahren nicht zuletzt auch Zeit herauszulösen?

JD
Zeit ist kostbar, und dann würden die Zeitungen vermutlich billiger werden. Aber da sie ohnehin gerade sterben: Warum nicht die Zeitungsdruckereien zu Gewächshäusern umfunktionieren?

DA
Wie sind die Blindheitsgrade verschiedener Gemüsesorten?

JD
Dichterisch gesprochen: alles taubes Gefiesel. Und müffeln tut das Kraut auch noch, weshalb mir schon die Augen überlaufen. Am blindesten macht die Zwiebel.

DA
Wie lange muss ein durchschnittlich begabter Maulwurf graben, um Urgroßvater über Tage zu befördern? Wie ändert sich die Grabdauer bei Hinzufügen weiterer „Ur“-Präfixe?

JD
Es lohnt sich auf jeden Fall, den Urgroßvater zu exhuminieren, an ihm hängen dann die anderen Vorfahren dran (als kompakter Zellklumpen), das habe ich mal gesehen. Die Grabschändung steht aber nicht in Relation zur Begabung des Maulwurfs.

DA
Was ist von „zerschweben“ zu halten?

JD
Sehr viel, wenn man Lyriker ist. Der Dramatiker sagt vermutlich: „Zu viel gegrübelt, und nichts ist dabei rausgekommen.“

DA
Was ist der Unterschied zwischen Assel und Stein – wenn man mal ganz ehrlich ist?

JD
Ein Unterschied? Keiner. Alles tote Materie. Ist jetzt jemand enttäuscht?

DA
Wie lange muss etwas (Hühnerstall, Regenmantel, Seefahrer) am Nagel hängen, um als geschmissenes Handtuch durchzugehen?

JD
Nicht sehr lange – in froschartigen Milieus. Die Verpuppung der Sekrete macht aus dem Nagel-Anhang fast von selbst ein fröhlich-schleimiges Wurfgeschoss. Da fällt mir ein: lange nicht mehr „Ghostbusters“ gesehen!

DA
Greisenschmatzen.

JD
„Batzen kotzen.“ (Wieder der Dramatiker.)

DA
Was bedeutet „Die Kirche im Torf lassen“?

JD
Ostfriesisch für: erst mal einen Tee trinken und dann fröhlich weitermachen wie die letzten 2000 Jahre. Ging ja auch ganz gut ohne Gott.

DA
Wenn man „begegne“ wie „Champagner“ ausspricht, dann, tja, was dann?

JD
Dann hat man einen ziemlich besoffenen Franzosen vor sich! (C’est la vie.)

DA
Es tickt die Zeit, das Insekt, der Staub … wer von ihnen tickt nicht ganz richtig?

JD
Eigentlich ticken alle nicht ganz richtig. Mal ganz ehrlich: Sonst wäre die Literatur doch morgen tot.

DA
Yak the Ripper, Yake wie Hose, zu allem Yak und Amen sagen, Yak Vashem …

JD
Ja, das „Y“ ist unterschätzt. Ich habe an anderer Stelle auch mal dafür plädiert, die dunklen Vokale zu stärken, „O“ und „U“. Das ergäbe dann zusammen: „YOU“. Witzig, oder?

DA
Friseure, die sich selbst die Haare schneiden. Ärzte, die sich selber verarzten. Kinder, die Kinder kriegen – ja ist denn die Welt komplett _______________________ geworden?

JD
Vermulcht – würde ich sagen. Die Gärtner sind doch immer noch die größten Philosophen.


Foto: © JD[:de] 

Jan Decker, Jahrgang 1977, lebt und arbeitet als Schriftsteller in Osnabrück. Er studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Für ARD und Deutschlandradio schrieb er mehr als 20 Hörspiele und Features. Daneben verfasste er zahlreiche Bücher, Theaterstücke, Libretti, Erzählungen, Essays, Gedichte und Artikel. Sein Werk wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit einem Hörspielstipendium der Filmstiftung NRW und dem Spreewald-Literatur-Stipendium. Jan Decker unterrichtete an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und der Universität Osnabrück. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.


DA
Der Giersch hat was von einem Nasobēm-Gruselpendant.

JD
Ja, spätestens seit er neulich dem Mulch die Pralinen stahl – ein selten trauriger Akt im Tierreich (das sonst auch Schönheiten kennt).

DA
Darf man die Lingua franca der Pferde als Hübrr bezeichnen?

JD
Ebenfalls ja, weil es ihrem Schnauben schon recht nahe kommt; und mehr verstehen wir von diesen Viechern ohnehin nicht. Nebengedanke: Warum ist der Pferdeversteher eigentlich nicht mehr in Mode?

DA
Wenn der Mütter Motoren losbrüllen wie Pralinen, hüpfen Rohlinge (wenig überraschend) von der Reling?

JD
Das ist ein Bild von der Reeperbahn. Und nicht sonderlich originell, steckt dieses Biotop doch voller mütterlicher Pralinenreize und quillt und brüllt sozusagen über vor – ja, was eigentlich? (Jetzt fehlt ein originelles Wort.)

DA
Was kostet eine lichtgepanzerte Forelle, wenn man als Lichtquelle die eigenen Augen nutzt?

JD
Eigentlich nichts – man müsste es ausprobieren. Ich traue mich aber gerade nicht. Die Forelle müffelt nachher bestimmt.

DA
Espresso : Kaffee = Esel : ?

JD
Die leckersten Innereien des Esels in pulverisierter Form. Das könnte ein Lyriker aber viel schöner sagen. Pech gehabt.

DA
Weiß man mittlerweile mehr über Annas Scharte?

JD
Sie hat sich aufgelöst: in Wohlgefallen.

DA
Und was ist eigentlich aus Ninas Brüsten geworden?

JD
Dasselbe wie aus Annas Scharte. In Ninas Fall war einfach der Airbag fehlerhaft. Erste Sammelbeschwerden werden vorbereitet. Es kann nicht sein, dass die plastische Chirurgie in die Automobilindustrie umzieht.

DA
Wäre es erstrebenswert, aus Zeitungen mittels hochmoderner Extraktionsverfahren nicht zuletzt auch Zeit herauszulösen?

JD
Zeit ist kostbar, und dann würden die Zeitungen vermutlich billiger werden. Aber da sie ohnehin gerade sterben: Warum nicht die Zeitungsdruckereien zu Gewächshäusern umfunktionieren?

DA
Wie sind die Blindheitsgrade verschiedener Gemüsesorten?

JD
Dichterisch gesprochen: alles taubes Gefiesel. Und müffeln tut das Kraut auch noch, weshalb mir schon die Augen überlaufen. Am blindesten macht die Zwiebel.

DA
Wie lange muss ein durchschnittlich begabter Maulwurf graben, um Urgroßvater über Tage zu befördern? Wie ändert sich die Grabdauer bei Hinzufügen weiterer „Ur“-Präfixe?

JD
Es lohnt sich auf jeden Fall, den Urgroßvater zu exhuminieren, an ihm hängen dann die anderen Vorfahren dran (als kompakter Zellklumpen), das habe ich mal gesehen. Die Grabschändung steht aber nicht in Relation zur Begabung des Maulwurfs.

DA
Was ist von „zerschweben“ zu halten?

JD
Sehr viel, wenn man Lyriker ist. Der Dramatiker sagt vermutlich: „Zu viel gegrübelt, und nichts ist dabei rausgekommen.“

DA
Was ist der Unterschied zwischen Assel und Stein – wenn man mal ganz ehrlich ist?

JD
Ein Unterschied? Keiner. Alles tote Materie. Ist jetzt jemand enttäuscht?

DA
Wie lange muss etwas (Hühnerstall, Regenmantel, Seefahrer) am Nagel hängen, um als geschmissenes Handtuch durchzugehen?

JD
Nicht sehr lange – in froschartigen Milieus. Die Verpuppung der Sekrete macht aus dem Nagel-Anhang fast von selbst ein fröhlich-schleimiges Wurfgeschoss. Da fällt mir ein: lange nicht mehr „Ghostbusters“ gesehen!

DA
Greisenschmatzen.

JD
„Batzen kotzen.“ (Wieder der Dramatiker.)

DA
Was bedeutet „Die Kirche im Torf lassen“?

JD
Ostfriesisch für: erst mal einen Tee trinken und dann fröhlich weitermachen wie die letzten 2000 Jahre. Ging ja auch ganz gut ohne Gott.

DA
Wenn man „begegne“ wie „Champagner“ ausspricht, dann, tja, was dann?

JD
Dann hat man einen ziemlich besoffenen Franzosen vor sich! (C’est la vie.)

DA
Es tickt die Zeit, das Insekt, der Staub … wer von ihnen tickt nicht ganz richtig?

JD
Eigentlich ticken alle nicht ganz richtig. Mal ganz ehrlich: Sonst wäre die Literatur doch morgen tot.

DA
Yak the Ripper, Yake wie Hose, zu allem Yak und Amen sagen, Yak Vashem …

JD
Ja, das „Y“ ist unterschätzt. Ich habe an anderer Stelle auch mal dafür plädiert, die dunklen Vokale zu stärken, „O“ und „U“. Das ergäbe dann zusammen: „YOU“. Witzig, oder?

DA
Friseure, die sich selbst die Haare schneiden. Ärzte, die sich selber verarzten. Kinder, die Kinder kriegen – ja ist denn die Welt komplett _______________________ geworden?

JD
Vermulcht – würde ich sagen. Die Gärtner sind doch immer noch die größten Philosophen.


Foto: © JD[:]

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