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Das Vermächtnis

Von Felicitas S. Klarwitz.

„Sinn ist Sein – und Sein ist Sinn“ hatte die Sonde „Schiaparelli“ noch auf die Erde übermitteln können, bevor die Verbindung abbrach und sie sich im Nichts auflöste um vermutlich auf dem Mars aufzuschlagen.

Herr Professor Duldig war sprachlos. Was hatte das zu bedeuten? Und vor allem wer oder was hatte diese Botschaft durch das All gejagt? Von ihm wurde „Schiaparelli“ nur für die Übermittlung von Daten und Fakten programmiert! Und jetzt so etwas!

Seine ganze bisherige Arbeit wurde mit dieser Wortübermittlung doch völlig zunichte gemacht, ganz zu schweigen von der jahrelangen Vorbereitung für diesen Moment!

Und nun mitten in der Übertragung der totale Abbruch – welch ein Rückschlag für die Wissenschaft!

Aber schien es sich hier nicht etwa um eine verschlüsselte Nachricht zu handeln?

Er musste diesen letzten Zeichen auf den Grund gehen und versuchen diese zu vervollständigen.

Herr Prof. Duldig war sich sicher, dass es sich ausschließlich um einen verschlüsselten Zahlencode handeln konnte, denn ihm war klar, dass bei der Vorbereitung zur Landung alle Sensoren auf Hochtouren gelaufen sind, und die damit verbundenen frei werdenden Energiewellen, sich auf die Auslösung der Tastaturen niedergeschlagen haben mussten.

Prof. Duldig atmete tief durch – er war erleichtert, denn schließlich hätte er es ungern gesehen, wenn ihm in seiner Programmierung ein eklatanter Fehler unterlaufen wäre!

Also versuchte er es nun, den sich hinter den Worten verbergenden Algorithmus zu

benennen:

19-9-14-14 / 9-19-20 / 19-5-9-14 / 21-14-4 / 19-5-9-19 / 9-19-20 / 19-9-14-14.

Ja, das sah doch schon ganz anders aus!

Damit konnte er doch wieder etwas anfangen.

Es musste sich hier um die Koordinaten der letzten Umlaufbahn handeln.

Je länger er die Zahlenkolonne betrachtete, desto einleuchtender wurde ihm diese.

Unschwer war doch zu erkennen, dass es sich hier um Dopplungen handelte, die in ihrer Umkehr Rückschlüsse auf die Dimension der Stratosphäre erkennen ließen.

Sofort stachen Herrn Prof. Duldig die Zahlenkombinationen 14, 9 und 19 ins Auge, die ganz klar Rückschlüsse auf eine gleichförmige Zusammensetzung der Erdatmosphäre erlaubten.

6 x 14, 6 x 9 und 7 x 19 – also kaum Abweichungen in den oxidierenden Verhältnissen!

Herr Prof. Duldig konnte auch unschwer die Thermosphäre herauslesen, die sich mit 2 x 20 und 2 x 5 geringfügig in der molaren Masse niederschlug.

Diesen Sachverhalt fand er nun äußerst verblüffend, setzte er doch die bisherige Klimaforschung außer Kraft, die bislang von einer wechselnden Konzentration eines Ladungstransfers ausging.

Herr Prof. Duldig begann sich den Kopf zu kratzen und trank erst einmal einen Schluck Wasser, denn seine Lippen waren über sein Studium schon ganz trocken geworden. Vielleicht sollte er auch ein wenig essen, bevor er sich weiter ans Werk machte?

Nein, dafür blieb ihm jetzt keine Zeit, denn er musste die 21, die völlig alleinstehend im Raum zu einem Ganzen fügen und dechiffrieren. Denn der übermittelte Algorithmus von „Schiaparelli“ war ja noch unvollständig! Auch bedrückte Herrn Professor Duldig die Tatsache, dass sich „Schiaparelli“ so einfach im Nichts aufgelöst hatte.

Er war sich irgendwie sicher, dass das Nichts der Schlüssel zu seinen Untersuchungen sein würde, also vervollständigte er seinen Algorithmus um eine Axiomatisierung zur Konstruktion eines wahren Satzes, um aus dem doch recht allgemeinen Postulat ein widerspruchsfreies System zu entwickeln, in dem er dieses wie folgt erst einmal marginal ergänzte:

19-9-14-14 / 9-19-20 / 19-5-9-14 / 21-14-4 / 19-5-9-19 / 9-19-20 / 19-9-14-14 ./.

Aha! So, so!

Herr Professor Duldig konnte nun erst einmal nur mit Mutmaßungen weiter vorgehen, aber da dies ja die Substanz des wissenschaftlichen Arbeitens ist, ging er äußerst beschwingt vor.

Er schaute sich wieder und wieder die Daten an, und nach einiger Zeit ergänzte er an erster Stelle die 21, da diese demnach logisch erfolgen musste, um die bisherige Kette wieder ins Gleichgewicht zu rücken.

Denn wie ja jeder weiß, geht es ja schließlich um die Ausgeglichenheit aller Potentiale in einem System.

Und das wird im Universum und selbst im Nichts auch nicht anders sein – so dachte zumindest Herr Professor Duldig.

Also machte er sich frohgemut an die Arbeit, schaltete seine Hochleistungscomputer an, setzte eine große Kanne Kaffee auf, denn voraussichtlich würde es bis spät in die Nacht dauern, bis er auf erste Ergebnisse zurückgreifen könnte.

Jedoch weit gefehlt!

Es dauerte mehrere Monate bis Herr Prof. Duldig die Lösung fand, die er letztlich mit Hilfe des Zufallsprinzips entdeckte, die er in seinen Untersuchungen anwandte. Denn ihm war klar, dass vorab keine Voraussagen über seine ausgewählten Werte möglich sein durften und er gleichzeitig weit davon Abstand nehmen wollte eine Wirkung mit selbigen zu erzielen. So kam ihm im wahrsten Sinne des Wortes der Zufall entgegen, als sich seine Zahlenkombination versehentlich wieder in einen Text wandelte, den er dann um die Begebenheit der sich im Nichts aufgelösten Sonde „Schiaparelli“ ergänzte:

Sinn ist Sein und Sein ist Sinn – übermittelte die Sonde Schiaparelli am 18.10.2016 bevor sie sich im Nichts auflöste – um dem Sein einen Sinn und dem Sinn ein Sein zu geben.

Nur durch diesen Zusammenhang hatte sein entdeckter Algorithmus die nötige Substanz, die ein weiteres Forschen erlaubten und bahnbrechend für die Entwicklung der Sonde „Ripitendo“ wurde, die mit einer völlig neuen Mission zum Mars starten sollte, in dem sie das „Nichts“ als abstraktes Konzept induktiver Prozesse einbeziehen sollte.

Bedauerlicherweise erlebte Herr Prof. Duldig den Start jedoch nicht mehr.

Aber seine Formel wurde für zukünftige Forschungen festgehalten und führte zu weltweit wirkenden Entwicklungen in allen Wissenschaften:

19-9-14-14 / 9-19-20 / 19-5-9-14 / 21-14-4 / 19-5-9-19 / 9-19-20 / 19-9-14-14

+/- ./.

21-13/ 4-5-13/ 19-5-9-14 / 5-9-14-5-14/ 19-9-14-14 / 21-14-4 / 4-5-13 / 19-9-14-14 /

5-9-14/ 19-5-9-14/

= 26-21/ 7-5-2-5-14

Denn das Ergebnis „26-21/7-5-2-5-14“ wurde in seiner Komplexität der Bedeutung in seiner buchstäblichen Aussage „zu geben“ die neue Herausforderung des nahenden 22. Jahrhunderts.

So banal dieses „zu geben“ auch erst einmal klingen mochte, da es durch seine im höchsten Grade gewöhnliche Aussage und seine häufige Anwendung alltäglich, abgedroschen und zur Bedeutungslosigkeit verkommen war, erkannte man mit der Zeit in Prof. Duldigs Aufzeichnungen eine Schlussfolgerung gegebener Prämissen als eine logisch zwingende Konsequenz. Und so war man im Begriff diese Eigenschaften als echte Untermenge der einzelnen Elemente zu verstehen, ausgehend von der übermittelten Ausgangshypothese der sich im Nichts aufgelösten Sonde „Shiapparelli“, die sich nun zu einer Vorhersage generierte, zu der die passenden Fakten noch gefunden werden mussten.

Bildquelle: (c) DA

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